Der Wulfter Turm

Der Wulfter Turm stammt aus dem 14. Jahrhundert. Er war Bestandteil der Osnabrücker Landwehr, die ab Ende des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, und diente zur Sicherung eines der wenigen jeweils mit einem Schlagbaum versehenen Durchlässe im ca. 30 km langen Landwehrwall.

Der etwa 15 m hohe Turm mit Giebeldach hat ca. 1,30 m dicke Mauern, in denen unter anderem harter Hügelstein verwendet wurde. Der heute dreigeschossige Turm war früher höher und hatte ein spitzes Zeltdach. Der Turm selbst war für den diensthabenden „Törner“ ursprünglich nur über eine Leiter zu erreichen. Daran angebaut, aber ursprünglich ohne direkte Verbindung zu den oberen Räumen des Turmes ist das sogenannte Törnerhaus, ein ebenso fester Steinbau mit ca. 1 m dicken Wänden. Er hat das im Mittelalter typische steile Dach. Ebenfalls zur Anlage gehört ein im niedersächsischen Stil erbautes Bauernhaus aus dem 17.-18. Jahrhundert, welches ein Törner auf eigene Kosten erbaut hat.

Der Wulfter Turm und das angebaute Törnerhaus wurden 1998 grundrenoviert und der heutigen Nutzung als Rechtsanwaltskanzlei zugeführt. Zugleich wurde ein weiteres modernes Nebengebäude errichtet. Bei diesen Umbauarbeiten wurde erstmals eine Verbindung zwischen Törneranbau und Turm im Inneren hergestellt und die Anlage dabei innen mit einer aufwändigen Treppenkonstruktion versehen. 

Auszüge aus
„Von Wällen und Gräben“
– Die Osnabrücker Landwehr –

Herausgeber Stadt Osnabrück,
erarbeitet von Prof. Hartmut Peucher, erschienen im secolo Verlag Osnabrück

„In den unruhigen Zeiten Ende des 13. Jahrhunderts wurden vielerorts Befestigungsanlagen um Gemeinwesen errichtet. Dabei handelte es sich nicht nur um Stadtbefestigungen mit Mauern, Gräben und Türmen, sondern auch um weit vorgelagerte Landwehren, erste Abwehranlagen gegen Feinde, Schutz der Feldmark vor Viehdieben und Räuberbanden.

Das Interregnum, die „kaiserlose schreckliche Zeit“, war vorüber, doch Ruhe und Ordnung waren längst noch nicht gesichert. Das veranlasste wohl auch Kaiser Rudolf von Habsburg, den Städten im Reich recht großzügig das Befestigungsprivileg zu verleihen. Kaiser Barbarossa hatte für Osnabrück mit der Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1171 bereits die Ummauerung der Altstadt erlaubt. Nach 1280 ging die Stadt sehr energisch daran, die Befestigungsanlagen auszubauen und auch die Neustadt in die gemeinsame Mauer mit einzubeziehen. Zusätzlich wurde die Landwehr als Ring in 1,5 bis 4,5 km Entfernung um die Stadt herum angelegt.

Für das damals noch kleine Gemeinwesen war dies eine gewaltige Leistung. Osnabrück hatte am Beginn des 14. Jahrhundert schätzungsweise 4.500 Bewohner. Alle arbeitsfähigen Männer waren verpflichtet, an der Stadtbefestigung mitzuarbeiten und im Verteidigungsfall natürlich auch Dienst zu leisten. Fremde Hilfe, etwa durch den Landesherren, gab es nicht. Die Bürger mussten diese Leistung selbst erbringen. 1347 hatte die Osnabrücker Altstadt den Schutz der Landwehr, 1406 bzw. 1409 war auch die Neustadt auf diese Weise gesichert...“

„Die Breite der Landwehranlage lag meist bei rund 20 Meter. Es gab aber auch sehr viele breitere Strecken, die mit getrennt verlaufenden Wällen eine Breite von über 40 Metern erreichen können. Auf beiden Seiten der Anlage gab es Begleitwege zur Kontrolle.“

„Die Landwehrwälle waren vor allem mit Dornsträuchern dicht bewachsen, um die Anlage völlig undurchdringlich zu machen. Schlehe, Weißdorn, Hundsrose, ebenso Brombeere, Hasel, Hainbuche und Hartriegel haben vermutlich den Gehölzbestand gebildet, vielleicht auch Eiche und Buche, die aber sicherlich nicht zu hohen Bäumen aufwachsen durften.“

„Der Landwehrring hatte nur wenige Durchlässe an den Hauptzufahrtsstraßen zur Stadt, die durch Schlagbäume gesichert waren und vom „Baumschließer“ bewacht wurden. Dieser wohnte entweder im „Baumhaus“ oder als „Törner“ in der Wartturmanlage. Die einzig überkommene Anlage ist der Wulfter Turm, der den Typ dieser Landwehrtürme nun repräsentiert: ein circa 10 Meter hoher, dickwandiger Turm mit spitzem Zeltdach oder auch Satteldach, einem Hocheingang, der nur über eine Leiter erreichbar ist, und daneben, angebaut oder freistehend, das Türmerhaus, eventuell noch Nebengebäude.

Ähnlich sahen der Nahner Turm an der Frankfurter Heerstraße nach Iburg bzw. über Hilter nach Dissen aus, ebenso wohl auch der Hettlinger oder Hettlicher Turm an der Meller Straße.

Der Gretescher Turm lag nach Osten weit vorgelagert an der Mindener Straße in Richtung Schledehausen, Oldenburg, Buer.

Am Natruper Turm – auch „Nye Porte“ oder „Schneiderturm“ genannt – an der Wersener Straße teilten sich die Wege nach Westerkappeln und Lingen bzw. über Vinte nach Fürstenau.

Vom Heger oder Haunhorster Turm an der Rheiner Landstraße in der Höhe von Bellevue bzw. Parkplatz am Eingang zum Heger Friedhof zweigen zwei Wege ab: der eine führt über Lengerich nach Münster, der andere nach Lotte und Tecklenburg.

An der Bramscher Straße bei der Haster Mühle ist in alten Karten der Haster Turm vor der Nette eingetragen. Allerdings findet man in alten Unterlagen auch die Bezeichnung „Baumhaus zu Haste“. Hier waren wohl zwei Schlagbäume zu bedienen: zur Niedermühle an der Nette und vor der Nettebrücke. Danach teilte sich die Straße in Richtung Fürstenau und nach Wallenhorst, Bramsche, Engter oder Rulle.

Ein Baumhaus, keinen Turm, gab es eindeutig an der Knollstraße: das Baumhaus zu Doeshausen. Hier verlief die Hauptheerstraße nach Norden, auch Königsstraße genannt, in Richtung Icker, Venne, Hunteburg.“

„Die Landwehr diente – noch vor Verteidigungszwecken – vor allem der Sicherung des Viehs, das durch die dichte Anlage nicht entweichen konnte. Die strategische Bedeutung der Landwehren nahm immer mehr ab. Zwar konnten die Baumschließer, die den Schlagbaum sperrten, und die Torwächter rechtzeitig vor annähernder Gefahr warnen, sodass das Vieh in Sicherheit gebracht werden konnte, das Eindringen des Feindes verhindern konnte die Landwehr jedoch nicht. Immerhin wurde in unruhigen Zeiten die Besatzung der Türme verstärkt. Es gab zusätzlich Landwehrwachen. In Krisenzeiten wurden zusätzliche Warten auf dem Westerberg und der Wakhegge besetzt. Zur Wehrpflicht der Bürger gehörten Arbeiten zur Instandhaltung der Landwehr, der Wachdienst auf Mauern und Türmen, aber auch – wenn nötig – der Felddienst.“

„Im 18. Jahrhundert gab der Rat die Landwehr auf.“

„Die Türme und Baumhäuser verschwanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Stadt verkaufte 1835/36 den Hettlicher Turm und dem Nahner Turm. Der Natruper Turm wurde 1850 abgebrochen. Übrig blieb schließlich nur der Wulfter Turm.“